Martina und Manfred Urlaub auf dem Traktor

Das stille Ende der Gärtnerei Urban in Dillingen

Wo sollen wir unser frisches Gemüse denn jetzt einkaufen?“ jammert eine Kundin an Urbans letztem Verkaufssamstag im August auf dem Dillinger Wochenmarkt. Das hätten sich die Bürger aus Dillingen a.d. Donau und Umgebung mal früher überlegen sollen. Seit 1936 gibt es die Gärtnerei Urban, doch jetzt ist Schluß. Martina und Manfred Urban hören auf. Der Konkurrenzdruck ist zu groß, das Wetter zu wechselhaft, die Einnahmen im Verhältnis zur geleisteten Arbeit zu gering.

Animiertes Gif. Manfred Urban baut in vielen Einzelschritten seinen Stand auf dem Wochenmarkt in Dillingen auf.


Den Stein ins Rollen gebracht haben letztendlich die Töchter Elena und Madlen mit ihrem Appell an die Eltern.

„Immer nur schaffa, schaffa – das kann doch nicht alles sein in Eurem Leben.“

Manfred Urban ist mit der Gärtnerei groß geworden. Mit dem Windelpaket vom Laufstall raus, in die Gummistiefel rein und ab aufs Feld, wo die Eltern tagein, tagaus „am Schaffa“ waren. Seit 30 Jahren arbeitet er als Gärtner, er hat sich nie beklagt über die viele Arbeit, bis in den letzten Jahren der Druck immer größer wurde. „Ich hatte tierischen Kopfstress.“ Ständig müssen schnelle Entscheidungen für den Einkauf getroffen werden. Wonach steht dem Kunden der Sinn? Was liegt im Trend? Immer gibt es etwas zu organisieren, zu reparieren, stets muss man vor Ort sein. Die Pflanzen sind wie kleine Kinder – sie wollen gehegt und gepflegt werden. Am Ende muss alles für den Verkauf perfekt sein, egal, ob wieder einmal der Frost, der Hagel oder die Schädlinge dazwischengefunkt haben. „Sonst kauft dir die Ware niemand ab und die ganze Arbeit war umsonst.“

Die Gärtnerei zählte einmal sechs Festangestellte, dazu die Eltern, die mithalfen und Martina und Manfred. Martina, von Beruf Floristin, kümmerte sich um den kleinen Blumenladen in der Dillinger Innenstadt, organisierte Adventsausstellungen in den Gewächshäusern der Gärtnerei, half auf den Wochenmärkten aus, war zuständig für den Familienalltag und die beiden Töchter. Dies alles mit großer Leidenschaft, Talent und Enthusiasmus. Klar gab es Momente, in denen alles zu viel wurde, doch die Freude am Wachsen und Gedeihen der Pflanzen, der Bestätigung durch die zufriedene Kundschaft, dem eigenverantwortlichen Tun, überwog.

Mittlerweile bewirtschaften nur noch Martina und Manfred die Gärtnerei. Auf den Wochenmärkten helfen ihnen zwei langjährige Aushilfen. Den Blumenladen haben sie schon lange aufgegeben. Aldi, Lidl und Co. und nicht zu vergessen die Baumärkte haben sich flächendeckend in Dillingen und Umgebung ausgebreitet. Baugrund ist billig im Gewerbegebiet. Riesige Parkplätze locken die Kundschaft zum „All-In-One“ Einkauf. Im Frühjahr und Sommer gibt es dort Blumen, Jungpflanzen, Kräutertöpfe – zu unschlagbar günstigen Preisen. Und wenn man schon mal hier ist, nimmt man das, den EU-Vermarktungsnormen entsprechende, in Plastik verpackte Gemüse und Obst auch gleich mit.

„Die Alten, die Wert auf Tradition legen und im Frühjahr Salatpflanzen fürs Frühbeet einkaufen und an Allerheiligen ein Gesteck fürs Grab, sterben weg. Die Jungen, kaufen keinen Adventskranz mehr beim Gärtner, den gibt es im Supermarkt und im Steingarten vorm Reihenhaus braucht es eh keine Pflanzen,“ erklärt Martina Urban. Bei alldem wirken Martina und Manfred Urban gelassen, wahrscheinlich ein Resultat aus der langjährigen Arbeit mit den Pflanzen und der Natur.

„Es ist ein gutes Gefühl jetzt aufzuhören,“ meint Manfred Urban. „In diesem Jahr war alles, was ich gemacht habe, ein letztes Mal.“

Man spürt das Ende der Gärtnerei. Die Gewächshäuser stehen zum großen Teil leer. Nur noch Paprika, Tomaten, Auberginen, Chilis, Gurken warten darauf abgeerntet zu werden. Auf den Feldern wächst das Nötigste für die Wochenmärkte. Dennoch ist von Wehmut und Traurigkeit bei Martina und Manfred nichts zu spüren. Sie sind stolz darauf, was sie beide all die Jahre geleistet haben und freuen sich auf die Zukunft.

Im September fängt Manfred bei der Stadtgärtnerei Dillingen an. Geregelte Arbeitszeiten von 6.45 – 16.00 Uhr und am Freitag nur bis 12.00 Uhr. Seine neuen Kollegen haben schon etwas Respekt, wenn Manfred dort anfangen wird. „Ein Mann mit soviel Erfahrung.“

Martina widmet sich erst einmal ihren vielen Interessen: Fitness, Kochen und Bloggen. Somit geht der Wunsch ihrer Töchter in Erfüllung: endlich einmal füreinander Zeit haben.

Martina und Manfred vor der Garage ihrer Gärtnerei auf dem Gartenbänkchen sitzend

2 Kommentare zu “Das stille Ende der Gärtnerei Urban in Dillingen

  1. Roland Althammer

    sehr schön gemachte Geschichte!
    wichtiger Beitrag.
    liebe Grüße Roland

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